Das Fragement im Digitalen Zeitalter

Chancen und Risiken neuer Techniken in der Restaurierung

Internationales Symposium der HAWK
(Fakultät Bauen und Erhalten und Hornemann Institut)

in Kooperation mit
der ICOMOS AG Konservierung-Restaurierung
und dem Verband der Restauratoren e. V.

13. - 15. Mai 2020, HAWK in Hildesheim


Es werden noch Beiträge zur Postersektion angenommen
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Kunstwerke sind meist fragmentarisch überliefert. Der Umgang mit dem Fragment, seine Erforschung, Erhaltung und Vermittlung gehören damit zu den zentralen Aufgaben von Restaurator/inn/en, die in der Denkmalpflege, in Museen und Bibliotheken tätig sind.

Die Behandlung des Fragments war schon immer vom jeweiligen gesellschaftlichen Kontext und dem Zeitgeschmack abhängig – das gilt bis heute: Zwischen den beiden Polen der vollständigen Wiederherstellung einerseits und der Beibehaltung des fragmentarischen Zustandes andererseits reihen sich die verschiedensten Möglichkeiten realer oder virtueller Ergänzung, basierend auf unterschiedlichen theoretischen Grundsätzen. Die neuen Medien bieten uns immer effizientere Methoden und Techniken der virtuellen Ergänzung und der Vermittlung fragmentarischer Werke, und das stößt auf große gesellschaftliche Akzeptanz. Zweifelsohne haben sie den Blick auf das Kulturerbe verändert. Wie können wir sie für seine bestmögliche Erhaltung und Präsentation nutzen?

Die letzten großen Tagungen in Deutschland zum Thema des Digitalen in der Restaurierung und der Denkmalpflege (u. a. Das Digitale und die Denkmalpflege, 2016, publiziert 2017; museum-3-d-digital, Februar 2018; 3D – Durchblick oder Datenmüll? Dreidimensionale Scan-Verfahren in der  Konservierung/Restaurierung, März 2018; das-digitale-objekt, Dezember 2018), haben sich neben den  verschiedenen Anwendungsgebieten digitaler Technik auch der nachhaltigen Verwaltung und Verlinkung der erzeugten Daten gewidmet.

Diese Tagung  möchte nun den Fokus darauf legen, was die neuen digitalen Möglichkeiten für die Erhaltung und Vermittlung des historischen Fragments bedeuten, denn Fachleute aus verschiedenen Fachbereichen konstatieren aktuell „eine Lücke zwischen der zunehmenden Bedeutung und der Professionalisierung der visuellen Rekonstruktion des Historischen einerseits und der theoretischen Fundierung solcher Tätigkeiten andererseits“ (z. B. Blokker 2017, nach Hoppe/Breitling 2016).

Nach einer Einführung in die Geschichte des Fragments und seiner Restaurierung bzw. Präsentation, folgen Vorträge zu den theoretischen Grundlagen der Konservierung-Restaurierung von Fragmenten, auch unter Berücksichtigung internationaler Dokumente und Chartas (z. B.  die Chartas von London und Sevilla).

Anhand aktueller Projekte sollen dann die Auswirkungen der Digitalisierung auf das fragmentarisch erhaltene Kunstwerk und seine Vermittlung konkret diskutiert werden. Dabei geht es z. B. um die neuen Chancen der Forschung durch virtuelle Ergänzung von Fehlendem  oder – umgekehrt - durch die "digitale Entfernung" späterer Ergänzungen. Führen die heutigen Möglichkeiten  zu mehr oder weniger restauratorischen Eingriffen? Der Schritt zur Rekonstruktion oder Teilrekonstruktion wird einfacher, die Forderung nach Unterscheidbarkeit zwischen dem Original und den zeitgebundenen Vorschlägen der Ergänzung aber lauter. Oft scheint das Digitalisat die ganze Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und das originale Fragment in den Hintergrund zu rücken. Aber auch die gegenläufige Tendenz, der Wunsch zu mehr Dinglichkeit, gewinnt laut Trendforschung zunehmend an Relevanz (Horx).
Wie kann man mit digitaler Technik die Akzeptanz des fragmentarischen Originals steigern? Sicherlich helfen die neuen Möglichkeiten bei der Visualisierung von Forschungsergebnissen und der Kommunikation zwischen Fachleuten und der Gesellschaft und bieten auch damit große Chancen für eine nachhaltige Bewahrung unseres Kulturerbes.

Ziel der kritischen Auseinandersetzungen auf der Tagung ist ein praxistaugliches Grundsatzpapier  zum Umgang mit dem Fragment in den Restaurierungswissenschaften. Denn die etablierten ethischen und theoretischen Prinzipien der Restaurierung müssen die neuen digitalen Möglichkeiten mit ergänzenden Grundsatzüberlegungen berücksichtigen. Wissenschaftliche Standards sollen auch für die digitale Welt gelten, d. h. der objektive und der spekulative Anteil von virtuellen Rekonstruktionen muss für Betrachter klar identifizierbar sein, ihre wahrnehmungspsychologischen Auswirkungen sollen erkannt werden.

Zur Information über die Tagung werden die Abstracts der ausgewählten Vorträge und Poster auf der Website des Hornemann Instituts der HAWK veröffentlicht.
Die Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Eine Simultanübersetzung ist nicht möglich.

Klosterkirche Prüfening (Regensburg), Detail der romanischen Wandmalerei in der nördlichen Chorkapelle. Foto: Ursula Schädler-Saub

Verona, San Zeno, Löwe vom Portalvorbau. Foto: Ursula Schädler-Saub

Lesepult in der Freudenstädter Stadtkirche, um 1150. Foto: Ursula Schädler-Saub

Fragment einer hölzernen Volute im Übergang zum digitalen Polygon-Gitter. Bildkombination: Salome Hunziker (Ausschnitt: Barbara Hentschel)

3-D Scan. Foto: Salome Hunziker